ANDREA TOFANELLI INTERVIEW

ANDREA TOFANELLI INTERVIEW

Andrea Tofanelli wurde 1965 in Italien geboren. Er schloss sein Studium 1987 an der Musikhochschule Luigi Boccherini in Lucca mit „cum laude“ und Bestnoten ab. Er ist unter anderem mit Maynard Ferguson, Randy Brecker, Eric Marienthal, Claudio Roditi, Peter Erskine und Kenny Wheeler aufgetreten, um nur einige zu nennen. Außerdem trat er beim Maynard Ferguson Tribute in St. Louis auf. In den letzten 25 Jahren ist er in Hunderten von TV-Sendungen aufgetreten und hat in den renommiertesten Studios in Italien als Studiomusiker an Aufnahmen von Film-Soundtracks, TV-Werbespots, Gold- und Platin-Alben und Videos mitgewirkt. Er hat mit dem Paul-Anka-Orchester und Gino Vannelli zusammengearbeitet und ist in Italien mit internationalen Popkünstlern wie George Michael, Burt Bacharach und Gloria Gaynor aufgetreten. Seine Auftritte und Meisterklassen finden regelmäßig überall auf der ganzen Welt statt. Andrea Tofanelli ist Professor für Trompete an der Musikhochschule ISSM Vecchi-Tonelli in Modena und Professor für Jazztrompete und Blechblasinstrumente an der Musikhochschule Fiesole in Florenz (Italien).

Wie schaffst Du normalerweise Musik, und wie stellst Du eine Verbindung zu Deinem Publikum her?

Nun, meiner Meinung nach sind Aufführen, Aufnehmen, Komponieren, Arrangieren und Musizieren alles unterschiedliche Wege, das gleiche Ziel zu erreichen: nämlich Musik zu schaffen. Im Alltag habe ich normalerweise Konzerte, Tourneen, Meisterklassen, Workshops, Konferenzen, Aufnahmen in Aufnahmestudios, Fernsehsendungen und vieles mehr. Ich bin hauptsächlich Künstler und Lehrer, daher kann das Publikum unterschiedlich sein. Es kann aus Menschen bestehen, die gute Musik und besondere Aufführungen hören wollen, oder es kann aus Lernenden bestehen, die eher auf technische Aspekte des Trompetenspiels achten. Das beeinflusst und verändert oft mein Repertoire und die Art und Weise, wie ich an ein Konzert herangehe. Die Entwicklung meines Spielstils und meiner Karriere hat viel mit der Energie in der Musik zu tun. Ich bin ein Verehrer und Freund des legendären Maynard Ferguson. Und ich liebe die Arbeit all dieser spannenden, unglaublichen Trompeter wie Bill Chase, Cat Anderson, Dizzy Gillespie, Roy Eldridge, Harry James, Lee Morgan, Clifford Brown, Bobby Shew, Arturo Sandoval und Allen Vizzutti. Maynard hat mir beigebracht, wie ich dem Publikum durch die positive Energie der Musik Freude bereiten kann. Durch die Opernarien von Giacomo Puccini habe ich gelernt, bei allem, was ich spiele, so viele Emotionen wie möglich zum Ausdruck zu bringen (ich bin in Torre del Lago in der Toskana geboren, aufgewachsen und lebe immer noch dort – es ist Puccinis Lieblingsstadt, in der jeden Sommer ein Opernfestival stattfindet). In der Kombination dieser beiden wichtigen Aspekte liegt für mich der Schlüssel, um eine starke Verbindung zum Publikum herzustellen. Es ist mein Ziel, dass die Menschen während der Aufführung alles andere vergessen, damit sie glücklich und voller positiver Energie für den nächsten Tag nach Hause gehen können.

Durch Technologien und soziale Medien können wir ein breites Publikum erreichen und mit den Zuhörern interagieren. Welche Erfahrungen hast Du bei der Zusammenarbeit mit der Initiative #YamahaLiveFromHome gemacht?

Heutzutage sind wir in der Gesellschaft und im Alltag auf Technologien und soziale Medien angewiesen. Sie helfen uns bei der Kommunikation und halten die Menschen auf dem Laufenden. In dieser Zeit sind sie wichtiger denn je, denn sie ermöglichen eine weltweite Kommunikation, um Leben zu retten. Mithilfe von Technologie und sozialen Medien hat die Musik außerdem wieder eine kraftvolle und emotionale Botschaft der Unterstützung, des Trostes und der Hoffnung ausgesandt, die um die ganze Welt geht. Die Initiative #YamahaLiveFromHome war für mich eine Chance, Teil dieser wertvollen Botschaft zu sein. Für mich persönlich war das völlig überwältigend und ohne, dass ich das erwartet hätte, in einiger Hinsicht emotionaler, als ein Konzert vor einem echten Publikum. Am wichtigsten ist die emotionale Seite der Veranstaltung. Keine Spezialeffekte, keine Scheinwerfer, keine Bühnen, keine großen Shows: nur die Künstler. Dann ist da noch die musikalische Herausforderung: nur Publikum und Künstler, alleine vor dem Bildschirm und ganz ohne Effekte oder Sicherheitsnetz. Eine reine Live-Performance, die Menschen und Künstler verbindet, ist wirklich ein absolut intimer Moment. Es bedeutet, dass wir etwas Nicht-Menschliches wie beispielsweise Technologien einsetzen, um einen menschlichen Moment noch stärker hervorzuheben als es live möglich ist. Virtualität und Realität werden auf höchstem Niveau mit einander verbunden.

Welche Rolle spielt Musik in Deinem Leben?

Wie kann ich die Rolle der Musik in meinem Leben beschreiben ... sie ist so wichtig und bedeutet mir so viel, dass ich es gar nicht ausdrücken kann. Ich war vier Jahre alt, als meine Familie entdeckte, welchen Einfluss Musik auf mich hatte. Es begann mit Musik für Kinder und ging sehr schnell zu Opernmusik von Puccini über, und zwar durch ein seltsames Album, das mein älterer Bruder mit nach Hause brachte. Darauf war Beethovens Musik zu hören, die von einer amerikanischen Gruppe namens Vanilla Fudge in einem psychedelischen Hardrock-Stil gespielt wurde. Bei dieser Musik führte ich mich wie ein Verrückter auf, sprang in meinem Zimmer herum und benahm mich wie ein Dirigent vor einem Orchester. Es war stärker als ich, ich konnte einfach nicht aufhören. Mein Vater spielte das Es-Horn in der Blaskapelle der Stadt, und so entdeckte ich bald eine bunte musikalische Welt aus italienischer Opernmusik, Marschmusik und Swing-Jazz. Als ich anfing, Trompete zu spielen, wurde die Musik zum wichtigsten Teil meines Lebens. Von diesem Zeitpunkt an waren die Musik und die Trompete in meinem Leben unersetzlich. Sie ist mein Beruf, mein Hobby, meine Leidenschaft, mein Lebenszweck, rund um die Uhr, und sie erinnert mich an meine Familie. Als Musiker und Trompeter fühle ich mich glücklich. Es ist genau das, was ich im Leben tun wollte.

Dank des Internets gibt es heute eine unbegrenzte Auswahl an Videos, Musik und Lehrmaterial. Das führt manchmal zum so genannten „Auswahlparadoxon“, das es uns erschwert, uns auf das zu konzentrieren und das auszuwählen, was wir spielen und hören möchten. Was würdest Du Musikliebhabern empfehlen, die ihr Wissen erweitern möchten?

Musik ist frei und sehr demokratisch: Sie bietet Raum für alle, vom Amateur bis zum berühmten Künstler. Wie beim Fußball oder beim Kochen hat jeder seine eigene Meinung dazu. Das können wir nicht ändern, denn wenn wir es täten, würden wir die Musik selbst anhalten. Es ist gut, eine Wahl zu haben, und es ist schlecht, keine Wahl zu haben. Heute bietet uns das Internet Raum für alles, was wir tun, einschließlich der Musik. Daher ist auch die verfügbare Musik inzwischen praktisch unbegrenzt. Ich halte das für eine gute Sache. Eine meiner Aufgaben im Vorstand der International Trumpet Guild (ITG) bestand während der letzten Jahre darin, neue Talente und Künstler und Künstlerinnen für die ITG Conference zu finden und auszuwählen. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht! Es gibt so viele unglaubliche Musiker auf der ganzen Welt, und ohne das Internet würden wir sie wahrscheinlich nicht entdecken. Was den pädagogischen Aspekt betrifft, so habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Lernenden sehr genau wissen, wo sie studieren und welchen Lehrern und Künstlern sie folgen möchten. Für ernsthafte Berufsmusiker oder Studierende ist die unbegrenzte Auswahl nicht wichtig. Wer ernsthaft Musik studieren möchte, weiß, dass er oder sie die besten Dozenten und die besten Musikhochschulen auswählen muss. Ich glaube, die unbegrenzte Auswahl ist eher für Amateure interessant, die nur zum Spaß Musik machen. Für sie ist das Internet wie ein riesiger Vergnügungspark. Generell würde ich also empfehlen, das Stöbern nach neuen Dingen im Internet einfach zu genießen. Wer sich jedoch dazu entschließt, professionell Musik zu machen, sollte sich sofort nach den besten Lehrkräften umsehen, um Unterricht nehmen zu können. Auch Online-Unterricht kann eine gute Option sein, wenn man zu weit weg wohnt, aber persönlicher Unterricht ist nach Möglichkeit immer vorzuziehen. Man sollte keine Zeit verschwenden!

Falls Du demnächst Projekte oder Plattenveröffentlichungen geplant hast, die Du uns mitteilen möchtest, füge die entsprechenden Links bitte unten hinzu. Spotify-Links oder sonstige Links

Demnächst erscheint eine neue CD mit Werken von Puccini im Jazz-Stil in der Besetzung Trompete und Klavier. Dann Originalmusik von den Yamaha European Trumpet All Stars, mit europäischen Trompetenstars wie Frank Brodahl (Norwegen), Ingolf Burkhardt (Deutschland), Patrick Skogh (Schweden) und Jacek Onuszkiewicz (Polen). Außerdem erscheinen unter meinem Namen einige neue CDs mit neuer kommerzieller Trompetenmusik, eine Live-Aufnahme mit einem Jazz-Trio und ein Big-Band-Album mit neuen Stücken. Wahrscheinlich ein Klassikalbum mit Trompete und Klavier. Was die Live-Konzerte betrifft, so werde ich das Maynard Ferguson Tribute mit der Small/Big Band unterstützen, dann folgt das All Around Trio mit Trompete, Hammondorgel und Schlagzeug, „Puccini in Jazz“ für Trompete und Klavier und das Yamaha European Trumpet All Stars-Ensemble. Zwei weitere interessante Projekte sind das Maynard Ferguson Tribute mit der Dizzy Boyz Brass Band, einer sehr energiegeladenen polnischen Band mit einer großartigen Show, und eine wirklich originelle Hommage an die Musik von Sun Ra, neu arrangiert in einer Trio-Version (Trompete, Klavier und Kontrabass), „A Sound of Joy“. Bei den Unterrichtsprojekten gebe ich eine „Konzertstunde“, in der ich die Geschichte des Jazz anhand der bekanntesten Jazztrompeter unterrichte, und ich erhalte sehr viele Anfragen zu einer bestimmten Trompetenmethode. Das einzige Problem besteht darin, für das alles genug Zeit am Tag zu finden (wenn der Tag 36 Stunden hätte, würde es vielleicht ausreichen)!

Bitte nenne uns ein Zitat für #YamahaLiveFromHome

#YamahaLiveFromHome Künstler und Musikliebhaber auf der ganzen Welt sind verbunden über die Musik.